„Die voluminösen Papierobjekte von Anna Myga Kasten bilden sich aus einer Metamorphose des ehemals vertrauten Materials, welches sich wuchernd durch den Raum bewegt und die Form aus seinen statischen Möglichkeiten heraus findet.
Sie sind frei von konkreter Zuordnung. Vielmehr suchen die Formen eine Schnittstelle
verschiedener Assoziationen, zielen auf die Imaginationskraft des Betrachters und verwandeln sich je nach subjektivem Blickwinkel.“
Interview vom 13.08.2018
Rayka Kobiella / Anna Myga
Kasten
R.K.: Anna, du hast mit sehr unterschiedlichen
Materialien von Gummi bis Textil gearbeitet - nach welchem Maßstab wählst du die Materialien für deine Arbeiten aus?
A.M.K.: Zu Beginn muss ich herausfinden, ob das Material und
ich als Team überhaupt zusammen arbeiten können. Dafür muss ich es testen, gucken, was es kann und will.
Was kann es an Formen schaffen, welches Volumen zum Beispiel ist mit ihm möglich?
Denn bei der Arbeit am Objekt treffe ich oft die eine Entscheidung und das Material trifft eine andere.
R.K.: Deine Objekte sind vorwiegend raumfüllend - wie wichtig ist für dich das Volumen, also die Größe des Objektes?
A.M.K.: Ich kann besser an etwas arbeiten, das größer ist als ich. Ich mag das Gefühl, neben einem Objekt zu stehen, welches Volumen hat und um das ich herum gehen kann, ohne es mit einem
Blickwinkel richtig zu erfassen. Wo sich je nach Perspektive die Form verändert.
R.K.: Deine Objekte schwanken beim Betrachten zwischen etwas Vertrautem und etwas komplett Neuem. Wie entwickelst du diese Formen?
A.M.K.: Soweit es möglich ist, versuche ich zu vermeiden, mir zu Beginn etwas Konkretes vorzustellen. Ich muss ja im Prinzip ohnehin etwas erschaffen, was ich noch nicht kenne. Dabei hilft
mir die Eigenständigkeit des Materials und der Zufall. Manchmal arbeite ich bewußt unkonzentriert um künstlerisch-handwerklichen Unfällen Raum zu geben, die einen dann dahin bringen, zu sagen „Oh
toller Unfall – so möchte ich weiter arbeiten!“
Ich mag es, wenn die Objekte in der Materialität ein Risiko erkennen lassen.
Wie z.B. mit Sand gefülltes Textil, welches aufreißen könnte, weil es zu schwer ist um aufgehängt werden zu können. Oder die fragilen Papierarbeiten, die bereits beim Aufbau schon oft kaputt
gehen - was sich dann wiederum in die Form integriert.
R.K.: Du zeichnest auch. Gibt es generell einen Zusammenhang zwischen den Skulpturen, an denen du arbeitest und deinen Zeichnungen?
A.M.K.: Nicht direkt. Ich zeichne oft, wenn ich nicht weiß, wie ich anfangen soll. Aber nur selten Objekte , die ich danach tatsächlich baue. Meine Zeichnungen sind für mich ein kleines
Paralleluniversum. Es ist so, dass die großen Objekte oft sehr lange Arbeitsphasen beinhalten. Ideen, die mir während dieses Prozesses kommen, können da nur insofern hinein fließen, wie es das
eine Objekt ermöglicht. Zeichnungen funktionieren direkter und vor allem schneller.
Via Zeichnung kann man den Gedanken fast im gleichen Moment markieren, in dem man in hat.
Ich versuche immer, sehr schnell zu zeichnen um auch hier Unfälle oder besser Zufälle zu ermöglichen. Eigentlich versuche ich, alles was ich in meinem Kopf finde, möglichst ungefiltert und oft auch übereinander geschichtet aufs Papier zu bringen.
R.K.: Also könnte der Betrachter in der Ausstellung auch einen Zusammenhang suchen und finden?
A.M.K.: Wahrscheinlich viel eher als ich, weil er mehr Distanz dazu hat. Man findet die Formsprache wieder. Und es gibt Gemeinsamkeiten, die elementar sind, zum Beispiel will ich in beiden
Fällen nicht etwas abbilden, das ich in meiner Vorstellung habe, sondern etwas entwickeln, was ich mir bis dahin nicht vorstellen konnte.
Das Interview führte die Autorin und Regisseurin Rayka Kobiella, die mit Anna Myga Kasten als Bühnenbildnerin bereits in mehreren Theaterprojekten zusammen gearbeitet hat.